FC GLORIA Grundsatzpapier

Das Logo von FC Gloria – Frauen* Vernetzung Film auf dunkelblauen Hintergrund.
Mai 2016

Was will FC Gloria erreichen?

Wir wollen, dass in Zukunft in etwa gleich viele Männer und Frauen an der Arbeit hinter der Kamera beteiligt sind. Wir denken nämlich, dass Film ein machtvolles, meinungs- und kulturbildendes Medium ist und die Diversität der Gesellschaft auch hinter der Kamera abgebildet sein sollte.

Welche Idee liegt diesem Wunsch zugrunde?

Wir sind überzeugt, dass es eine große Rolle spielt, ob Medieninhalte von Männern oder Frauen, Menschen mit unterschiedlichen, kulturellen Hintergründen oder Erfahrungswelten kreiert werden. Wie wir Filmschaffende alle wissen, basiert unsere Arbeit auf dem Wunsch, die eigenen Erfahrungen, Sichtweisen, Gedanken, Ideen zu transportieren. Welcher gesellschaftlichen Gruppe wir angehören, ist stark ausschlaggebend dafür, welche Erfahrungen wir machen, welche Sichtweisen, Gedanken und Ideen wir im Laufe des Lebens entwickeln. Das Leben und die Erfahrungen von beispielsweise Armen und Reichen, Männern und Frauen, Weißen und People of Color, Nicht-Migrant_innen und Migrant_innen unterscheiden sich und all diese Perspektiven sind es Wert, Abbildung zu finden. Das Filme Machen sollte daher im Sinne des Austauschs zwischen Kunst und Gesellschaft für viele, unterschiedliche Menschen zugänglich sein.

Abgesehen von dieser gesellschaftspolitischen Haltung setzt sich FC Gloria für die Rechte und Stärkung filmschaffender Frauen ein und möchte die tatsächliche Gleichstellung dieser mit den männlichen Kollegen in allen Bereichen unseres Arbeitslebens fördern.

FC Gloria befasst sich bisher zwar vornehmlich mit dem Thema der Geschlechterverhältnisse, jedoch sehen wir die Schieflage zwischen den Geschlechtern im Filmbereich nur als einen Aspekt eines größeren Problems, nämlich mangelnder Diversität. Wir wünschen uns daher einen breiten Diskurs über die Beschaffenheit der Gesellschaft und der Filmbranche als Ausschnitt davon, um diskriminierende Strukturen sichtbar zu machen.

Was wissen wir nach sechs Jahren Recherche?

Zurzeit sehen wir, dass überall dort, wo wenig Geld vergeben wird, das Geschlechterverhältnis ausgeglichener aussieht, als im Bereich der höheren Budgets:

– Die Filmförderung des BKA wurde beispielsweise 2015 zu 55% an Männer und zu 45% an Frauen vergeben. Dort können Filmemacher_innen als Einzelpersonen ohne Produktionsfirma einreichen und bereits seit einigen Jahren werden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Geschlechterverhältnisses umgesetzt.

– In der Stoffentwicklungsförderung des ÖFI liegt die Frauenbeteiligung immerhin noch bei über 30%.

– Auch unter den Filmstudent_innen ist das Geschlechterverhältnis nicht schlecht. Seit vielen Jahren befinden sich unter den Absolvent_innen der Filmakademie rund 40% Frauen. Frauen streben also seit vielen Jahren in ähnlichem Verhältnis wie Männer Filmberufe an!

– Dort, wo professionelle Filmschaffende vertreten werden – etwa in den Berufsverbänden – findet sich dieses gute Geschlechterverhältnis jedoch nicht mehr wieder. Im Firmenbuch eingetragene Produzent_innen: 83% Männer und 17% Frauen. Mitglieder im Drehbuchverband: 68% Männer, 32% Frauen. Mitglieder im Verband Filmregie und dok.at: 66% Männer und 34% Frauen (Stand 2015).
Da die Mitgliedschaft in den Verbänden zumeist einen bereits hergestellten Langfilm voraussetzt, schließen wir daraus, dass Frauen den Einstieg ins professionelle Filmschaffen weniger häufig schaffen als Männer.

– Bei der Vergabe von Fördergeldern im ÖFI und FFW – den beiden größten Kino- Fördertöpfen des Landes – ist das Geschlechterverhältnis gar nicht gut: ca. 77% des Geldes werden hier insgesamt an Regisseure, Autoren und Produzenten vergeben und nur 23% an ihre Kolleginnen. Weitere Informationen zu Berechnungsmethoden und Detailergebnisse im Kapitel Facts & Figures und direkt bei den jeweiligen Förderstellen .
Jedoch ist dies nicht die Konsequenz von Diskriminierung in den Entscheidungsgremien. Vielmehr ist die Frauenbeteiligung an eingereichten Projekten in der „großen Filmförderung“ sehr niedrig. Gemessen an den Einreichungen haben z.B. Regisseurinnen eine gleich große bis bessere Chance, gefördert zu werden, als Regisseure. Entsprechende Zahlen zur jeweils aktuellen Förderwahrscheinlichkeit für Männer und Frauen finden sich z.B. auf der Website des ÖFI.
Welche Schlüsse ziehen wir aus dieser Recherche?

Im Durchschnitt arbeiten Frauen mit deutlich kleineren Budgets.

Mehr Frauen als Männer schaffen nach einer Ausbildung den Schritt ins professionelle, mittel bis gut budgetierte Filmschaffen nicht. Die acht teuersten Filme des Landes wurden durchwegs von Regisseuren realisiert.

Produktionsfirmen reichen eher mit Männern als Autoren, Regisseure und Produktionsverantwortliche ein als mit deren Kolleginnen. Frauen werden seltener für führende Teampositionen in Erwägung gezogen. Da zur Einreichung bei den großen Förderstellen nur Produktionsfirmen – im Gegensatz zu Einzelpersonen – berechtigt sind, schaffen so viele Projekte von/mit Frauen nicht einmal den Weg vor eine Jury, die größere Budgets vergibt.
Diesen Punkt erachten wir als den Dreh- und Angelpunkt in der gesamten Thematik.

Welche Maßnahmen hat FC Gloria bereits gesetzt?

Das Mentoring Programm von FC Gloria spannt Frauen, die ein konkretes professionelles Ziel erreichen wollen, mit einer erfahrenen Mentorin zusammen.

Die FC Gloria Kinosalons richten die Aufmerksamkeit auf das Werk weiblicher Filmschaffender.

Das in Kooperation mit dem ÖFI initiierte Produzentinnen Programm ProPro bietet Produzentinnen Beratung im Hinblick auf Firmenstrategie und konkrete Projekte.

Die FC Gloria Salons dienen der Vernetzung weiblicher Filmschaffender und inspirieren den Diskurs zur Geschlechterdebatte.

Die allseits beliebten FC Gloria Bierdeckel entstehen jährlich in Kooperation mit der Diagonale und präsentieren Fakten zum Status Quo des Geschlechterverhältnis in der österreichischen und internationalen Filmwelt.

Vorstandsmitglieder von FC Gloria sind national und international auf vielen Panels und Diskussionsveranstaltungen unterwegs. Wir laden regelmäßig zum Diskurs ein und sind ebenso gefragt als Expertinnen zum Thema.

Nicht zuletzt arbeitet FC Gloria seit mehreren Jahren mit ÖFI und FFW in Sachen geschlechtsspezifische Evaluierung vergebener Fördermittel zusammen, mit dem Ziel, eine einheitliche und kontinuierliche Berechnung zu gewährleisten.

Die Aktionen von FC Gloria haben in den vergangenen sechs Jahren viel Diskussion und Bewusstseinsprozesse ausgelöst. Dennoch hat sich am Verhältnis der an Männer und Frauen vergebenen Gelder nichts verbessert.

Welche Maßnahmen fordert FC Gloria daher?

FC Gloria fordert die Förderinstitutionen auf, einen Anreiz für Produktionsfirmen zu schaffen, sich bei der Einreichung von Projekten um eine erhöhte Frauenbeteiligung zu bemühen: im Rahmen einer Selbstverpflichtung in ihren Förderrichtlinien (also keine gesetzlich festgeschriebene Quote im Filmgesetz) sollen sich die Förderinstitutionen eine Verbesserung des Geschlechterverhältnisses in der Vergabe von Fördermitteln auferlegen und so einen Incentive für Filmproduktionsfirmen schaffen.

Vorschlag am Beispiel des ÖFI: Es wird mit ausreichender Vorlaufzeit angekündigt, dass beispielsweise im Budgetjahr 2017 die Mittel, die für Frauenbeteiligung an Projekten ausgegeben werden, um 10% angehoben werden. Danach zum Beispiel jährlich um weitere 10% bis zum Erreichen von 50/50. Produktionsfirmen wissen so, dass bald 10% mehr Geld „für Frauen“ da ist und können sich überlegen, wie und in welchen Teampositionen sie die Frauenbeteiligung erhöhen können/wollen.

Wie wird die Frauenbeteiligung in der Förderstelle errechnet?

Der Vorschlag von FC Gloria orientiert sich am schwedischen Berechnungsmodell, ist jedoch nur eine Diskussionsgrundlage: Die Förderstelle weiß zu Jahresbeginn, wie viel Geld sie an Projekte vergeben kann und setzt sich zum Ziel, nicht weniger als den Prozentsatz X (= Frauenanteil Vorjahr +10%) an ein Geschlecht zu vergeben. Das daraus entstehende „Frauenkonto“ (= Mindestbetrag) und „Männerkonto“ (= Maximalbetrag) wird zu Jahresbeginn veröffentlicht und nach jeder Fördersitzung evaluiert und aktualisiert.
Die Geschäftsführung hat den Überblick und die Verantwortung über das Budget, während die Jury rein nach Qualitätskriterien entscheidet. Jedes vergebene Budget wird entsprechend den drei Berufsgruppen Drehbuch, Regie und Produktion gedrittelt verbucht.
Ein Beispiel: das Filminstitut vergibt €600.000,- an einen Spielfilm
€200.000,- für Drehbuch = Frau
€200.000,- für Regie = Mann
€200.000,- für Produktion = Frau
In der Statistik fließen für dieses Projekt €400.000,- auf das buchhalterische „Frauenkonto“ und €200.000,- auf das buchhalterische „Männerkonto“. So ist nach jedem Fördertermin sichtbar, ob der Mindestbetrag an Frauenbeteilgung bereits erreicht ist bzw. der Maximalbetrag für Männerbeteiligung bereits erschöpft.

Was, wenn es trotz des finanziellen Anreizes nicht genügend Einreichungen mit Frauenbeteiligung gibt?

Wie bereits oben erwähnt, setzt dieses Modell voraus, dass die Geschäftsführung die Verteilung evaluieren lässt und den Überblick behält. Solch ein Gender-Monitoring ist beispielsweise bei ÖFI und FFW schon sehr gut ausgebaut.

Da die Jury nur nach Qualitätskriterien entscheiden soll, kann es theoretisch sein, dass der angepeilte Verteilungsschlüssel einmal über- und einmal unterschritten wird. Im Sinne einer proaktiven Haltung der Förderstelle zur Verbesserung des Geschlechterverhältnisses, schlagen wir vor, dass in so einem Fall überlegt werden soll, wie man in der nächsten Durchrechnungsperiode zu einem verbesserten Ergebnis kommt. Alles in allem geht es FC Gloria nicht um eine bürokratische Regelung, die immer und um jeden Preis eingehalten werden muss, sondern darum, über einen gewissen Zeitraum hinweg eine Verbesserung der Situation zu erwirken.

Die Erfahrung anderer Länder, die ein solches Anreizmodell umgesetzt haben, zeigt, dass besonders in den ersten Jahren die Anzahl an Einreichungen generell anstieg, da der Wettbewerb um das zu holende Geld auf dem fiktiven „Frauenkonto“ sehr stark war. Dieser erhöhte Wettbewerb führte zu einer größeren Auswahl an Projekten. -Grundsätzlich ein Hinweis auf eine Tendenz zur Qualitätssteigerung.

Was ist das von FC Gloria vorgeschlagene Gender-Incentive-Modell nicht?

FC Gloria will keine Einmischung in die Teamkonstellation einzelner Projekte. Wir sind überzeugt, dass es weiterhin jede Art von Teamzusammensetzung geben soll: reine Männer- oder Frauenteams und gemischte Teams.

FC Gloria will keine Einmischung in künstlerische Inhalte. Jede Institution, die öffentliche Gelder vergibt, sollte ohnehin einen antirassistischen, antisexistischen oder prinzipiell antidiskriminatorischen Grundsatz in der Bewertung von Inhalten haben. Darüber hinaus sind wir gegen eine Einmischung in künstlerische Inhalte.

Wir wollen keine neuen Regulatorien für Produktionsfirmen. Dieses Anreizmodell soll Produzent_innen und Filmemacherinnen zusammenbringen und in erster Linie den Effekt erzielen, dass die Frauenbeteiligung an den eingereichten Projekten steigt.

Da sich dieses Modell an drei (oder auch mehreren) Berufsgruppen orientiert, sprechen wir hier nicht nur von Regisseurinnenzahlen! Wir denken, dass es die Möglichkeit geben sollte, über die verschiedenen Berufsgruppen hinweg eine faire Verteilung von öffentlichen Geldern zu erzielen.

Wir denken dieses Modell als ein Tool, um alte Strukturen aufzubrechen und Veränderung zu erwirken. Wir wollen nicht, dass auf ewig bürokratisch zwischen Männerkonto und Frauenkonto gerechnet wird, sondern wünschen uns, dass sich innerhalb weniger Jahre eine Verbesserung des Geschlechterverhältnisses eingestellt und etabliert hat.

FC Gloria setzt sich für dieses Modell aufgrund langjähriger Recherche und dem Austausch mit internationalen Kollegen und Kolleginnen ein. Das Engagement für Quoten- und Anreizmodelle dieser Art wird in ganz Europa und den USA von vielen Frauen und Männern betrieben.

Bitte informieren Sie sich auf unserer Website und beispielsweise auf der Website unserer deutschen Kooperationspartnerinnen von Pro Quote Regie, zu deren Unterstützer_innen der Direktor der Berlinale, Dieter Kosslick, der Produzent Stefan Arndt von X-Filme, die Schauspielerin Veronika Ferres, der Regisseur Volker Schlöndorff, der ehem. Direktor der dffb, Jan Schütte und viele, viele mehr gehören.

Mai 2016

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