Genderbudgeting Österreich

Statistik schafft Realität. FC Gloria setzt sich aktiv für die Quote ein und ist der Meinung, dass die Veröffentlichung von Zahlen mit der Sichtbarmachung des objektiven Status Quo ein erster Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung ist. Dabei ist nicht nur die Frage nach der Anzahl von geförderten Frauen* und Männern interessant, sondern vor allem auch, welcher Anteil der Fördermittel an welches Geschlecht vergeben wurde. Es ist ein Ziel von FC-Gloria, dass die Fördermittel in absehbarer Zeit 50/50 vergeben werden, denn nur das wäre fair.

ÖSTERREICHISCHE ZAHLEN & FAKTEN

Der Film Gender Report soll periodisch erscheinen und ist vom ÖFI und dem Bundeskanzleramt in Auftrag gegeben. Jener Bericht mit Daten aus 2017–2019 wurde im Mai 2022 präsentiert und beinhaltet die aktuellsten Zahlen zu Geschlechterverhältnissen in der österreichischen Filmbranche – vor und hinter der Kamera. Der ersten Teil des Reports ermittelt die Ungleichverhältnisse der Fördermittelvergabe: Frauen* erhielten im Nachwuchsfilm einen fast um die Hälfte höheren Anteil (35%) der Förderung als im etablierten Filmschaffen (24%).

Das erste Mal gaben das Österreichische Filminstitut und das Bundeskanzleramt – nicht zuletzt durch die langjährige Initiative von FC Gloria – einem parlamentarischen Entschließungsantrag folgend im Jahr 2017 die Erstellung eines Film Gender Reports in Auftrag. Den katastrophalen Status Quo der Ungleichheit in unserer Branche kann man nun Schwarz auf Weiß und sehr differenziert in einer Kurzfassung nachlesen: Mehr als die Hälfte der Filme mit hohem Frauen*anteil erhielt Förderung unter 50.000€, während Förderungen über 1.000.000€ an Projekte mit mehrheitlich Männeranteil gingen.

FC Gloria hat 2015 sämtliche Förderzusagen der beiden höchstdotierten Förderstellen des Landes – Österreichisches Filminstitut und Filmfonds Wien – aus den Jahren 2011 bis 2015 geschlechtsspezifisch ausgewertet. Ausgangspunkt für diese Untersuchung waren die offiziellen Zahlen des ÖFI und des FFW, die Auswertung erfolgte in Absprache mit den beiden Förderstellen. Nur 22% der gesamten Fördersumme der Projektentwicklung und Herstellung ging an Frauen*.

Das schwedische Berechnungsmodell

Strukturelle Ursachen für das eklatante Missverhältnis zwischen den Geschlechtern in der Fördermittelvergabe lassen sich unserer Meinung nach mit dem Schwedischen Modell deutlicher identifizieren:

1. Die Verteilung der Fördergelder wird anhand von drei Schlüsselbereichen ausgewertet: Drehbuch, Regie und Produktion. Bei diesem Berechnungsmodell werden die zugesagten Mittel je Förderstelle für einen Film gedrittelt und dem „Männer- bzw. Frauen*konto“ zugeordnet. Wenn beispielsweise der Produzent männlich ist, wird der gesamte Anteil im Budgetdrittel Produktion dem Männerkonto zugeordnet, wenn die Produktion von einem Team aus einem Mann und einer Frau* durchgeführt wird, werden die Mittel je zur Hälfte dem Männer- bzw. Frauen*konto zugeordnet.

Ein Beispiel: Eine Förderstelle fördert einen Film mit 3 Millionen Euro
– Produktion / 1 Mann / 1 Mio Euro Männeranteil
- Drehbuch / 1 Frau* / 1 Mio Euro Frauen*anteil
- Regie / 1 Mann / 1 Mio Euro Männeranteil

1 Million Euro werden dem „Frauen*konto“ zugerechnet, 2 Millionen Euro werden dem „Männerkonto“ des Jahresbudgets der jeweiligen Förderstelle zugerechnet.

2. FC Gloria ist interessiert an einem transparenten Bild der Vergabe von Fördermitteln. Dafür ist ein differenziertes Berechungsmodell, das nicht nur Pro-Kopf-Zahlen, sondern auch die Un-/Ausgeglichenheit der Geschlechteranteile in Bezug auf die Fördersummen aufzeigt, extrem wichtig – sowohl in den jeweiligen Projektphasen (Stoff- u. Projektentwicklung, Herstellung), als auch in den jeweiligen Berufsgruppen Drehbuch, Regie & Produktion. Denn oft sieht das Personenverhältnis nicht so schlecht aus, wie das Verhältnis der vergebenen Fördermittel.

Ein Beispiel: Werden 9 Filme gefördert, bei denen 3 Frauen* und 6 Männer Regie führen, ergibt das Personenverhältnis 33% zu 67%; schaut man sich aber die vergebenen Fördersummen dieser 9 Filme nach dem schwedischen Rechenmodell an, kann es sein, dass die 3 Filme der Regisseurinnen* nur 20% der Fördermittel erhalten. Reine Pro-Kopf-Berechnungen verschleiern den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Budgethöhe.

3. Ein weiterer Vorteil dieses Berechnungsmodells ist, dass der Frauen*anteil nicht nur in Bezug auf die Position Regie berechnet wird. Die Ausweitung auf derzeit drei Schlüsseldepartments erhöht die statistische Möglichkeit, den Frauen*anteil in Projekten deutlich zu steigern und damit auch den Spielraum für die Zusammensetzung von Teams. Somit kann auch konkreter an Lösungen für eine ausgeglichene Film- und TV-Landschaft in Österreich gearbeitet werden.

Strukturelle Ungleichheiten auflösen, neue Perspektiven schaffen

Die Einführung einer Quote ist ein Anreiz für Produktionsfirmen, sich nach Frauen* umzusehen und mit diesen Projekte zu entwickeln und zu realisieren. Die Umsetzung einer verbindlichen Quote würde innerhalb einiger Jahre den Frauen*anteil bei den Einreichungen erhöhen und auch die Strukturen brechen, die Frauen* vom Arbeiten mit hohen Budgets abhalten. Ein Verhältnis 50/50 wäre Schritt für Schritt erreichbar.

Ein ausgewogenes Geschlechterverhältniss ist das Ziel, das im großen Zusammenhang angestrebt wird, nicht als Zwangsmaßnahme oder als Einschränkung der Wahlfreiheit im einzelnen Fall. Und im großen Zusammenhang gibt es definitiv genügend Spielraum, um den Frauen*anteil zu erhöhen, auch wenn dies nicht auf jedes Projekt zutreffen kann oder muss. Daher sind wir stolz, wenn wir als Quotenfrauen identifiziert werden und wir sollten mehr werden!