#MeToo

Sprache schafft Wirklichkeit

Der Beleuchter nennt die Kamerafrau scherzhaft „unsere Kamerapuppe“, der Produzent äußert sich wohlmeinend über die „Büroperle“. Der Kameramann verweist gönnerhaft auf die „Maskenschnecke“. Gedankenlosigkeit paart sich mit latentem Sexismus. Jedem und jeder sollte bewusst sein: Gewalt an Frauen* beginnt bei einer diskriminierenden Weltsicht. Um ihr entgegenzuwirken, muss eine strukturelle Veränderung stattfinden. Niemand soll Diskriminierung und Ungleichbehandlung, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe und arbeitsrechtliche Verletzungen erleben.

Illustrationen zu "Sprache schafft Wirklichkeit." "Wie nennst du deine Kollegin?"
Bierdeckel 2023. Design: Valerie Tiefenbacher | carolineseidler.com

Für einen Strukturwandel, gegen das Schweigen

Seit Sommer 2022 ist die #metoo-Debatte in der österreichischen Filmbranche sehr präsent. Bisher haben hierarchische und prekäre Arbeitsbedingungen und die damit verbundenen Abhängigkeitsverhältnisse in unserer Branche sowohl die Betroffenen als auch die Zeug*innen von Übergriffen zum Schweigen gebracht. In der Branche fehlt nach wie vor ein pro-aktiver Umgang gegen Diskriminierung, Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe – damit entziehen wir uns dem großen Unbehagen, das die Konfrontation mit diesen Missständen hervorruft. Es braucht einen Strukturwandel, in dem diese Verhaltensweisen nicht mehr toleriert werden.

Der Verein Vera – Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport verweist auf Ergebnisse von Erhebungen im Rahmen einer Recherche im Jahr 2021, die den Umfang des Problems in der österreichischen Kunst- und Kulturlandschaft sehr deutlich aufzeigen.

73% BETROFFEN VON DISKRIMINIERUNG

Laut einer Online-Umfrage für Beschäftigte und potenziell Betroffene waren nur 170 (27,29 Prozent) von 623 Teilnehmer*innen NICHT von Diskriminierung, Machtmissbrauch, Belästigung oder Gewalt betroffen.

Für solidarisches Handeln, gegen Wegschauen

Die berechtigte Angst der Betroffenen, dass es zu einer Schuldumkehr kommt und ihnen nicht geglaubt wird, hält die meisten davon ab, juristische Schritte zu unternehmen. Die Einschüchterung durch die Täter*innen, in den meisten Fälle sind es Männer, die imstande sind Betroffene durch Gerichtsverfahren finanziell zu ruinieren, zeigt seine Wirkung. Viele Betroffene befürchten auch, wenn sie sprechen, ihre Arbeit zu verlieren.

Menschen, die im Zusammenhang mit einer Filmproduktion oder während ihrer Filmausbildung von Gewalt, Rassismus, Sexismus, Homophobie, Mobbing und sexualisierten Übergriffen betroffen sind, brauchen eine Struktur, die sie unterstützt und schützt. Die Branche braucht Strukturen, Umgangsweisen und einen Verhaltenskodex, die Diskriminierung und Gewalt vorbeugen. Die öffentliche Auseinandersetzung der letzten Monate mit #metoo in der Filmbranche hat mehrere Initiativen entstehen lassen. Das Österreichische Filminstitut hat den Code of Ethics als Bestandteil für Verträge ins Leben gerufen, von der WKO – Film- und Musikwirtschaft gibt es eine erste Sammlung von Links mit wichtigen Infos zum Themenfeld für Filmschaffende und die filmspezifische Beratungsstelle #we_do hat ihre Tätigkeiten stark ausbauen müssen und können – wichtige Schritte in die richtige Richtung, aber nur ein Anfang für ein sicheres, diskriminierungs- und machtmissbrauchskritisches Arbeitsumfeld, das wir dringend brauchen.

Beratungsstellen

Folgende themenspezifische Beratungsstellen bieten in unterschiedlichen Situationen kostenlos Unterstützung an. Viele Betroffene haben dort bereits gute Erfahrungen gemacht.

#we_do
Mit #we_do! hat der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden eine Anlauf- und Beratungsstelle gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe und Verletzungen im Arbeitsrecht geschaffen – für alle, die in der österreichischen Film- und Fernsehbranche tätig sind. Neben ihrer Beratungstätigkeit dokumentiert #we_do! jährlich anonymisiert Vorfälle, die von Betroffenen oder von Zeug*innen gemeldet wurden. Diese Sammlung wird dann von Expert*innen in einem Bericht aufgearbeitet. Auf Basis der gesammelten Fälle werden strukturelle Lösungen für eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse erarbeitet. Führungskräfte können sich bei #we_do! über Präventionsmaßnahmen und Regelungen informieren.
vera – Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport.
Die unabhängige Vertrauensstelle vera* dient als Anlaufstelle für Beschäftigte aus Kunst, Kultur und Sport und hat zum Ziel, Betroffene über ihre Rechte und über ihre Handlungsmöglichkeiten zu informieren.  Ziel ist, dass Künstler*innen, Kulturarbeiter*innen und Sportler*innen ihre Fähigkeiten gewaltfrei und sicher ausleben und entwickeln können. vera* unterstützt Betroffene bei Belästigungs- und Gewalterfahrung, zeigt ihnen Handlungsmöglichkeiten auf und begleitet sie bei den nächsten Schritten.
Tamar
Tamar ist eine Beratungsstelle für Mädchen*, Frauen* und Kinder die sexualisierte Gewalt oder sexuellen Missbrauch erfahren mussten und bietet Unterstützung für betroffene Personen und deren Angehörige oder Bezugspersonen. Es werden Beratungsgespräche und im Falle einer Anzeige juristische sowie psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren angeboten, für Kinder und jugendliche Mädchen* gibt es eine kleine Anzahl von Psychotherapieplätzen. Für Frauen* können wir ebenfalls eine begrenzte Anzahl von Psychotherapieplätzen bei unseren Psychotherapeut*innen in Ausbildung unter Supervision anbieten. Weiters werden für Kolleg*innen anderer Institutionen ebenfalls Beratungsgespräche und Supervisionen angeboten. In der Tamar-Beratungsstelle arbeiten qualifizierte Psychotherapeut*innen, Pädagog*innen und Psycholog*innen. Tamar arbeiten mit Rechtsanwält*innen und Ärz*tinnen zusammen.
Frauenhelpline
Die Frauenhelpline versteht sich als unbürokratische Erstanlaufstelle, die rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr kostenlos erreichbar ist. Das Team besteht aus 10 Beraterinnen verschiedener Grundberufe (Sozialarbeiterinnen, Lebens- und Sozialberaterinnen, Psychologinnen und einer Soziologin). Das breite Sprachangebot der Frauenhelpline umfasst folgende Sprachen: Arabisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Englisch, Rumänisch, Spanisch und Türkisch.
Gleichbehandlungsanwaltschaft